Du hast noch nichts ausgesucht, sagt das System.

Du hast noch nichts ausgesucht, sagt das System.
Der Ringer aus Hamburg ist die Band, die sie auf keinen Fall verpassen sollten, wenn Ihnen Joy Division genauso am Herzen liegt wie, sagen wir, Frank Ocean. Wenn sie durchaus bereit dazu sind, sich künftig Google-Glasses aufzusetzen, aber dabei auf keinen Fall auf Bier verzichten wollen. Wenn Ihrer Meinung nach die Authentizität im Pop eh nur mit der Kraft der kollektiven Wunschmaschinen möglich ist. Eine sich immer steigernde, nie enden wollende große Projektion. Nur um gemeinsam die verführerische Lüge vom Traum der ewigen Jugend weiter zu leben.
Der
Ringer sind melancholische Cyber-Postpunks, und wie schon Ihre
irdischen Brüder im Geiste von Isolation Berlin hadern auch sie gewaltig
mit der Produktwerdung. Wo aber IsoB Ihr „Herz aus Stein“ zum
Moritaten-Klang einer alten Orgel besingen, spielen Der Ringer auf Soft Kill
als Kinder der Kybernetik in ihrer Cloud und legen mit Vergnügen noch
einen weiteren Filter über ihr bereits mit unzähligen Effekten
bearbeitetes Selbstportrait.
Der Ringer sehen im digitalen
Wolkenkuckucksheim vor allem die Möglichkeit der Tarnung. Hinter der
Maske aus Filtern, Verzerrungen und Modulationen steckt schließlich ein
verletzliches Wesen: Du und ich.
Und schon die kleinste Irritation kann plötzliche Herzrhythmusstörungen verursachen.
„Ich will weich sein, ich will stumm sein“, singen Der Ringer im
Huxley-Schlager „Soma“, und man denkt unweigerlich: Das muss der
Lebenstraum eines Instagrammers sein!
So finden sich auf Soft Kill
zehn dystopisch-erogene Songs über Ohnmachts- und Allmachtsphantasien.
Und den vielen Modulationsstufen dazwischen: Elementarteilchen
inklusive. Wie auch sonst?!
Unter „Softkill“ versteht man in der
Militärsprache übrigens ein Abwehrsystem, das eine potenzielle
Bedrohung neutralisiert, ohne sie zu zerstören. Aber auch eines, das den
eigenen Körper vor Waffenangriffen dadurch schützt, dass es anfliegende
Flugkörper ablenkt und ins Nichts ableitet. Ja, was für eine schöne,
romantische Vorstellung von einer Waffe. Aber auf Soft Kill geht
es nicht darum, sich vor irgendwelchen Angreifern zu schützen, sondern
im wahrsten Sinne des Wortes sanft zu sein. Sich immer wieder weich zu
machen. Mentale Fluidität wie Zen-Buddhisten in Digitalien.
Auf dem Soundtrack zum Soft Kill
bieten uns Der Ringer eine zukunftsträchtige, hardcore-digitalisierte,
entwaffnende wie entstaubte Rockmusik, die sich vor allem weigert, Rock
zu sein. Eher Luft sein möchte.
Mal mit rasanten Post-Prog-Breaks
garniert, mal geradeaus technoid-pulsierend, aber immer zu in einer
New-Wavigen Wolke entspannt am Dasein dran. „Ich habe keine Angst vor
dem Tod, ich habe es aber auch nicht eilig“, um abschließend den
Ober-Kosmonauten Stephan Hawking zu zitieren. Und es ist wahr: Mit Der
Ringer haben wir alle Zeit der Welt. Und trotzdem fühlt sich Ihre Musik
in unseren Körpern so dringlich an, wie es nur der Sound einer Band in
der Blüte ihres Lebens tut: Hier und jetzt. Wo und wann immer das auch
sein mag.
Lieferzeit | 2-3 Tage |
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Artikelart | LP |
Künstler | Der Ringer |
Label | staatsakt |
Ersch.-datum | 27.01.2017 |