Du hast noch nichts ausgesucht, sagt das System.

Du hast noch nichts ausgesucht, sagt das System.
Dabei zeigen sich Locas in Love auf „Kalender" bei aller Produktivität vermehrt von ihrer dunklen Seite: „Es gibt kein richtiges Leben im Bürgerlichen", singt Stefanie Schrank im Song „Oh!", von der auch der kunstvolle Wandkalender mit zwölf Motiven zwischen abgründig, absurd und humorvoll stammt, der dem Album beigelegt ist. Dabei waren Locas in Love eigentlich immer schon das perfekte Bindeglied zwischen Indie-Untergrund und Breitwand-Pop. Also der ideale Soundtrack für eine moderne Bürgerlichkeit mit einer abgeschlossenen 90s-Sozialisation zwischen Bret Easton Ellis, David Lynch, Nirvana und den Simpsons. Aber nur bei oberflächlicher Betrachtungsweise!
Denn wer genau hinhörte bei den
Vorgänger-Alben wie „Saurus" oder „Lemming" konnte schon immer
bedrohliche Risse im restaurierten Sound-Stuck erkennen.
Und in den
Texten von Songschreiber Björn Sonnenberg, der gerne absichtlich die
Metrik und Reimschemen aufbricht, fühlten sich die Protagonisten schon
immer angewidert und fremd in der Sprechposition der sogenannten
Pop-Linken, die im Hochsicherheitstrakt namens Bundesrepublik
Deutschland ihr eigenes Klientel bespaßen, nur um daraus am Ende selbst
einen Distinktionsgewinn zu ziehen.
Locas in Love versuchen über den Kopf hinaus dahinzugehen wo es wirklich wehtut: Mitten ins Herz hinein!
„Ich werde ein Lied für alle schreiben" ist dabei noch der größte Schlager auf diesem Album, wobei die Unmöglichkeit, tatsächlich ein Lied für alle Menschen zu schreiben, für jede Lebenssituation und Emotion, und das auch noch in deutscher Sprache, die ganze Zeit über im Song mitschwingt. Dieses Lied darf man also durchaus als eine Hymne auf das Scheitern an sich begreifen. Der Locas in Love Fan dürfte sich jedenfalls schon einmal bestätigt fühlen.
Gleich zu Beginn sterben auf „Kalender"
alle Großeltern, und doch bleibt am Ende ein tröstliches „Gute
Nacht"-Lied. Ja, Morgen ist auch noch ein Tag. Und nächste Woche beginnt
schon wieder der Oktober. Und neulich beim Kaffee mit Freunden gab es
schon wieder Spekulatius. Raum und Zeit bleiben bis auf weiteres eine
„Abstract Machine", und Locas in Love formulieren weiter Album für Album
unter der Flagge „Freundschaft, Manifeste und Zerstörung". Kalender
scheint sich dabei vor allem in der 4. Dimension abzuspielen. Und wenn
alte Wünsche sterben, fällt es wieder schwer an neue zu glauben!
Dass
es kein richtiges Leben im Bürgerlichen gibt, darf jedenfalls weiterhin
als sicher gelten. Aber immerhin gibt es für dieses Leben jetzt den
richtigen Kalender.
1. All Meine Großeltern
2. Neues Alphabet
3. Ultraweiß
4. Abstract Machine
5. Ich Bin Eine Insel
6. 35 Tausend Millionen
7. Oh!
8. Ruinen
9. Gebet
10. We Are Cyborg
11. Ich Werde Ein Lied Für Alle Schreiben
12. Gute Nacht
13. Excellent Holiday Theme
Artikelart | CD |
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Lieferzeit | 2-3 Tage |
Label | staatsakt |
Künstler | Locas In Love |